Autofahrt von Lam ins benachbarte Arrach. Freitag – der Tag vor dem Ultra Trail Lamer Winkel 2021 mit Sonnenuntergang über dem Bayerischen Wald. Wie der viel zu oft zitierte Feuerball versinkt die Sonne langsam hinter den Bergen. Das perfekte Panorama für ein denkwürdiges Trail-Wochenende.

So ungefähr sieht es im Bayerischen Wald aus, wenn die Sonne mitspielt (c) U.TLW via Facebook
So ungefähr sieht es im Bayerischen Wald aus, wenn die Sonne mitspielt (c) U.TLW via Facebook

24h später. Ich trinke ein Weißbier aus dem U.TLW-Weizenglas. Die Sonne geht unter. Feuerball und so. Ich frage mich, wann das letzte Mal ein Trailrun-Wettkampf so ganz und gar großartig war, wie der U.TLW 2021.

2019 war die 2020er Veranstaltung mit ihren zwei Strecken innerhalb von rund 1 Stunde ausverkauft. Dann wurde wegen Corona verschoben. Auf Oktober 2021. Bayerischer Wald. Inklusive des höchsten Berges dort – dem Großen Arber mit 1.456 Metern Höhe. Das kann derbe in die Hose gehen. Tut es aber nicht. Es ist nur derbe kalt morgens, als wir angeführt von der örtlichen Blaskapelle zu den Startblöcken gehen. Dann gehen Kanonenschläge los. „Ich hätte mich beinah nassgemacht,“ erzählt ein Mitläufer aus Berlin später. Auftakt nach Maß – auch wenn es blaskapellenfrontiert erstmal im Schritttempo losgeht. Doch das ändert sich.

Hoch auf den Großen Arber. Aussicht galore. Dann wieder technisch anspruchsvoll runter. Aber ganz so einfach ist die erste Hälfte des Laufes natürlich nicht. Auf dem Weg zum höchsten Berg passieren wir diverse 1.000er-Gipfel. Ein Gipfelkreuz nah dem anderen, bevor es hoch zum Chef geht, der nicht nur wegen seiner Höhe hier regiert, sondern auch mit der ehemaligen Abhörstation die Szenerie prägt. War halt auch damals nur ein Steinwurf nach Tschechien. „Wenn ihr euch am Berg verlauft – geht immer nach unten!“ So hieß es, als ich als Kind hier war. Denn hinterm Berg kommt die mit Militär bewachte Grenze. Willste nicht. Ist aber zum Glück heute egal.

Laufen Richtung Großer Arber (c) Marco Felgenhauer / Woidlife Photography
Laufen Richtung Großer Arber (c) Marco Felgenhauer / Woidlife Photography

Nach dem Gipfel kommt endlich die heißersehnte VP2. Nach einer Mäusemahlzeit geht es gleich weiter – und plötzlich bin ich allein. Wo sind denn die anderen Laufenden? Ich komme an vielen Touris vorbei, aber sonst…? Cool ist, dass die Touris fast so nett sind, wie die U.TLW-Freiwilligen. Aber nur fast, denn diese Freundlichkeit, dieser Service, diese Herzlichkeit sind nicht zu matchen. Der Wahnsinn.

Wir tangieren den Kleinen Arbersee, der im Indian Summer so unverschämt schön ist, als wäre er aus einem Achtsamkeitsbuch rausgemalt. Darf der das? Lieber nicht drüber nachdenken, denn es geht gleich wieder runter. Und wieder hoch zu einer mal wieder enorm netten Helferin. „Ich bin der letzte Höhenmeter,“ sagt sie. „Und sei vorsichtig jetzt. Es ist arg glatt da herunter.“ Als ich starten will – Wadenkrampf. „Soll ich massieren?“ Ich winke ab, dehne gegen und runter gehts. Erst supersteil, dann supergeil. Downhills made in heaven. Mal wieder!

Feinste Trails in wunderschöner Gegend (c) Marco Felgenhauer / Woidlife Photography
Feinste Trails in wunderschöner Gegend (c) Marco Felgenhauer / Woidlife Photography

Irgendwann soll der Streckenabschnitt Tromsø kommen. Hatte ich gelesen. Benannt nach dem übelst technischen Skyrace (Bericht gibt es auch). Anscheinend übersehe ich das Schild. In der Zwischenzeit ruft mich aber ein Mann von einem Felsen. „Hier gehts lang.“ Eh – wohin denn? Na hoch. Hängt doch ein Seil da. „Die Frau sagte, es komme kein Anstieg mehr!“ ertönt hinter mir Protest. „Die hat gelogen. Wir sagen die Wahrheit. Ab jetzt kommt keiner mehr.“ Echt jetzt? Warum wird es dann auf die letzten 5 Kilometer nochmal so richtig kraxelig? Also mit exponierten Felsen, Minigraten und dem wunderschönen aber gerade mit leeren Beinen echt fordernden Holy Trail. „Hier lügen wohl alle!“ Gelächter in unserer kleinen Downhill-Gruppe. Selten so viele glückliche Gesichert gesehen. Die kleinen Motivationslügen nimmt also niemand krumm.

Und was bleibt am Ende des Tages? Ein Trailrun, der seinen hervorragenden Ruf absolut verdient hat. Dazu rund 55 Kilometer und fast 2.800 Höhenmeter – wie meine Garmin Enduro zum 2021 minimal geänderten Track sagt. Viele technische Passagen, eine liebevollst ausgesuchte Strecke, die aller Härte zum Trotz mehr oder weniger verfliegt und wirklich perfekt markiert ist. Wer hier noch nicht gestartet ist, sollte das dringend mal machen. Allerdings sollte man Trails mögen. Denn ein Landschaftslauf ist es trotz der schönen Landschaft nicht.

Und was ist jetzt mit der Oktobersonne? Die ist nun endgültig untergegangen. Kein Feuerball mehr am Himmel. Dafür wunderbar warme Erinnerungen. Ich komme mir ein wenig wie ein kleines Kind vor:

„Nochmal!“

Höhenprofil des Ultra Trail Lamer Winkel 2021 (c) strava.com
Höhenprofil des Ultra Trail Lamer Winkel 2021 (c) strava.com

(Hinweis: Die Garmin Enduro wurde mir vorübergehend
kostenlos zum Testen zur Verfügung gestellt.)