Mehr rausgehen, mehr laufen, mehr Klappe halten

Der letzte Wettkampf ist Wochen her, Umfang und Intensität des Trainings haben sich verschoben, das Laufjahr 2019 geht zu Ende. Für den Rückblick fühlt es sich zu früh an, für eine Standortbestimmung nicht.

Herbstlauf in der Schorfheide - so karg, so schön
Herbstlauf in der Schorfheide – so karg, so schön

Es geht schon wieder los – Jahresrückblicke wohin man schaut. Und wird von Jahr zu Jahr schlimmer? Wird es bestimmt, denn das ist ja immer so. Aber da wir alle eifrig unsere Läufe, Radfahrten, sonstige Trainings und teilweise sogar Fahrten zum nächsten Supermarkt tracken, ist genau jetzt die Zeit, die avisierten Jahresziele zu checken und zu posten. Fehlen mir noch 27 Kilometer zum Jahresziel? Bin ich schon 12% drüber? Feiern wir uns gegenseitig!

1. Oberlausitztrail: Perfekte Premiere

Starkwind im Gesicht, abwechselnd Regen und Nebel, es ist kühl – die Premiere des Oberlausitztrails hat es nicht leicht. Und doch: die Wolken ziehen immer wieder auf, die Landschaft ist wunderschön, die Strecke super gewählt und die Premierennervosität der Organisatoren unbezahlbar charmant. Schöner kann ein kleiner Herbst-Ultra kaum sein.

Verwunschen schöne Oberlausitz
Verwunschen schöne Oberlausitz

Vor der Startlinie stehen zwei Tische. „Die könnt ihr auch wegräumen,“ lässt uns der Moderator wissen, als sich die knapp 90 StarterInnen des 1. Oberlausitztrails für die lange Runde aufstellen. Lang, das heißt hier 48 km inkl. 4 km Asphalt und 1.200 Höhenmetern. Dann wird runtergezählt. „3 -2 -1 – – – – Stille.“ Kein Schuss. Niemand startet. Alle schauen etwas verwirrt. Naja, dann laufen wir halt doch und einfach so. Nach 15 Metern dann ein Schuss. „Wir müssen jetzt aber nicht zurück, oder?“ „Ich glaube nicht.“ Die Stimmung passt jedenfalls, als es die wenigen hundert Meter aus Gaußig raus und Richtung Waldwege geht. Der 1.Oberlausitztrail hat begonnen, 1h später als ursprünglich geplant, weil auch noch eine Treibjagd im Wald stattfindet. Na dann…

Röntgenlauf in Remscheid: So herzlich ist das Bergische Land

Eigentlich ist der fast schon historische Röntgenlauf in Remscheid ein Landschaftslauf wie viele andere auch. Eigentlich. Tatsächlich ist hier aber einiges anders – allem voran die einmalige bergisch-rheinische Stimmung. Ein Lauf, der Freude macht und zu Recht einen hervorragenden Ruf hat.

Herbst im Bergischen Land (c) Röntgenlauf 2011
Herbst im Bergischen Land (c) Röntgenlauf 2011

Im Gegensatz zu vielen anderen Läufen ist das Social Media Brimborium zum 19. Röntgenlauf minimal, die Homepage auch nicht mehr ganz auf dem aktuellen Standard. Aber der Lauf soll prima sein. Das hört man immer wieder. Und auf den Lauf kommt es schließlich an. Also ab ins Bergische Land. Warum der Lauf an einem Sonntag stattfindet, erschließt sich mir zwar nicht, da ein Samstag für die meisten Anreisenden viel praktischer wäre, aber geschenkt. Vor dem Start das erste Novum für den atheistischen Läufer aus der Hauptstadt: eine ökumenische Andacht 10 Minuten vor dem Start. Interessant. Ebenfalls interessant ist das Strecken-Setup. Wir Ultras laufen 63,3 Kilometer – 3 Halbmarathons, die als einzelne Etappen den ganzen Lauf strukturieren.

42. Burgenlauf in Bad Belzig: Herzlichkeit im Hohen Fläming

„Der Start ist dieses Jahr nicht mehr am Marktplatz! Wir starten dieses Mal direkt unten vor der Burg!“ Es scheint auf Burg Eisenhardt in Bad Belzig heute nur ein zentrales Thema zu geben – den geänderten Startplatz. Uns wenigen ErstteilnehmerInnen ist das herzlich egal. Irgendwo wird es schon losgehen. Da sich nach über 40 Jahren Burgenlauf aber aber fast jeder hier kennt, bewegt das natürlich die Gemüter.

Der Burgenlauf im Vorjahr (c) Burgenlauf
Der Burgenlauf im Vorjahr (c) Burgenlauf

Aber wie kann es eigentlich sein, dass dieser Lauf 2019 schon zum 42. Mal veranstaltet wird, im nur gut 1h entfernten Berlin aber doch relativ unbekannt ist? Man läuft durch viel Natur im wirklich schönen Hohen Fläming, die Orga ist einfach aber effektiv. Die Strecken umfassen 25km, 8km, 3,3km und für die Kids 1,3 Kilometer. Start und Ziel ist die Burg Eisenhardt in Bad Belzig, die zweite von drei Verpflegungsstellen ist im Hof der Wiesenburg – auch das gibt es nicht alle Tage.

Wenn schon Rennsteig, dann hoch 3 und komplett

„Das Klima in Neuhaus ist sehr rau mit sehr schneereichen Wintern und kalten, feuchten Sommern. Der Ort hält seit Mai 1996 mit 242 Stunden (zehn Tagen) den deutschen Rekord der längsten durchgängigen Nebelperiode.“ Sagt Wikipedia. Wie gut, dass wir Neuhaus für die nächsten drei Tag zu unserem Headquarter gemacht haben. Der Plan für das dank Tag der Deutschen Einheit lange Wochenendes: Die rund 90 Kilometer vom Rennsteig laufen, die uns nach dem Rennsteig Supermarathon noch fehlen, dann einen Tag erholen. Anschließend am Sonntag den 29. Rennsteig Herbstlauf mitnehmen und damit Rennsteig³ und den Rennsteig einfach mal überhaupt abhaken.

Klingt toll – bis wir am Feiertag um 6:30 am überraschend vollen Bahnsteig stehen. Was wollen die alle hier um diese Zeit? Und warum ist es eigentlich so kalt?

Rund 5h später laufen wir endlich – dem vorausgesagten Regen-WE entgegen. 2 Berliner, die in den Laufrucksäcken ausnahmsweise mal auch Zahnbürste, Kabel, Adapter und ein warmes Vlies für den Abend haben.

Schöne Blicke weg von der Rennsteig-Waldautobahn
Schöne Blicke weg von der Rennsteig-Waldautobahn

Arberland Ultratrail 2019: Ein Traum für Trailrunner

3 Grad. Über den Gipfeln des verzaubert schönen Bayerischen Waldes wird es hell. Es soll ein perfekter Spätsommertag werden, aber noch ist es bitterkalt, während uns eine kleine Kapelle zur Startlinie geleitet. 196 offiziell gelistete StarterInnen eröffnen den Arberland Ultratrail 2019. 64 Kilometer, 2.400 Höhenmeter. Ein knackiges Programm.

Arberland Ultrarun im malerischen Bayerischen Wald (c) Arberland Ultrarun / Marco Felgenhauer / Woidlife Photography
Arberland Ultrarun im malerischen Bayerischen Wald (c) Arberland Ultrarun / Marco Felgenhauer / Woidlife Photography

Der Arberland Ultratrail findet erst zum 4. Mal statt, hat aber schon jetzt einen hervorragenden Ruf. Zu Recht. Man verzeiht den wahnsinnig netten Organisatoren schon beim Race Briefing, dass auf den Bibs die falsche Notfallnummer steht. Es gibt an allen VP selbstgemachte Müsliriegel vom Bäcker in Bodenmais, die unendlich viel besser schmecken, als die verriegelte Chemiepampe. Und die Strecke – das Herzstück – ist vom feinsten.

Ein stilvoller Start für die 196 Ultrarun-TeilnehmerInnen (c) Arberland Ultrarun
Ein stilvoller Start für die 196 Ultrarun-TeilnehmerInnen (c) Arberland Ultrarun

Wir starten wellig auf knapp 1.000 Metern Höhe, laufen rüber zur Arber-Talstation und von dort hoch auf den Großen Arber mit 1455 Metern. Die ersten etwa 12 Kilometer sind ausschließlich Forstwirtschaftswege. Wo bleiben denn die Trails? Und schon geht es ab in den Wald. Hier kommen sie also.

Was vom Transalpine Run bleibt – Lehrstunden die nachhallen

Vor 7 Tagen saß ich genau jetzt in einem Reisebus von Sulden in Südtirol nach München. Es regnete. Wir fuhren durch die Berge. Hinter mir lagen 8 Tage Laufen. Durch die Alpen. Der legendäre Transalpine Run. 8 Tage, rund 280 Kilometer, etwa 16.000 Höhenmeter im 2er-Team. Sonnenbrand, Muskelkater, Regentage, Schneematsch, unsagbare Schönheit, dramatisches Gewitter – viel zu viele Eindrücke von einem Ausbruch aus dem Alltag und einem Einbruch ins Abenteuer (hier das komplette Tagebuch zu allen Etappen). Der müde Kopf am Fenster des Busses kommt nur langsam nach, das alles zu verarbeiten.

Jetzt, 7 Tage später, eine Arbeitswoche später, wirkt das Abenteuer TAR fast schon surreal in der Erinnerung. Surreal, ja, aber es hallt nach. Nachhaltig.

Was bleibt von den 8 Lauftagen? Neben Trittsicherheit und hervorragender Auge-Stock-Koordination? Es gab viele Lehrstunden – diese 7 werden mit Sicherheit präsent bleiben:

  1. Das Team ist nur so gut, wie die Kommunikation und der gegenseitige Respekt.
  2. Wie du deine Mitmenschen behandelst, so werden sie dich behandeln.
  3. Es geht um dich, die Strecke, das Miteinander. Dein Job, dein sozialer Status, deine Herkunft sind irrelevant.
  4. Vertrau dir. In dir steckt viel mehr, als du denkst. Wenn du aber an deine Grenzen kommst, hör auf. Die Berge verzeihen keine Fehler.
  5. Sei zufrieden. Leistung ist relativ: es wird immer jemand schneller und jemand langsamer sein als du.
  6. Auch nach dem schlimmsten Tag kommt ein neuer, besserer Morgen.
  7. Realität und Alltag sind Konstrukte, die wir aufbauen und uns darin einrichten. Dabei gibt es genügend Abenteuer da draußen. Wir müssen nur die Tür öffnen und losgehen.

Letztlich ist der Transalpine Run auch nur ein Trailrun. Ein langer Trailrun. Ein Wettkampf. Ein langer Wettkampf. Man kann danach wieder nach Hause fahren und ihn als schönes Westentaschenerlebnis abtun. Aber das gelingt fast niemandem. Wir kommen nach Hause und es hallt nach. Hoffentlich möglichst lange.

Pure Emotion: Transalpine Run Etappe 8 – Prad nach Sulden

Schneefall. Alternativ-Route. Der Ortler – Höhepunkt der Etappe und vielleicht sogar des ganzen Transalpine Run – ist zu gefährlich im Abstieg. Wird die 8. und letzte Etappe der grandiose Zieleinlauf oder lediglich Pflichterfüllung im schlechten Wetter?

Team Quick & Dirty ist, wie viele andere Teams auch, in Sulden untergebracht und muss per Shuttle zum Start der letzten Etappe nach Prad fahren. 6:25. Es ist dunkel. 3 Grad. Regen. Der durchnässte und verfrorene Vortag steckt vielen noch in den Knochen. Die Stimmung ist mies. Zum Glück gibt es heute eine Halle am Start, in der wir uns trocken und warm auf den Start vorbereiten können. „Das ist mein 10. TAR. Bisher war ich immer sentimental am letzten Tag. Heute nicht. Heute will ich es nur noch hinter mich bringen,“ erzählt eine Mitläuferin aus unserer Mixed-Kategorie.

Während wir drinnen sitzen, merken wir nicht, dass draußen der Regen aufhört. Hoffnung während der Startaufstellung. Immerhin nicht im Regen starten. Dieses Mal in langer Hose und gleich mit Regenjacke sind wir einigermaßen vorbereitet – und gespannt auf die Alternativ-Route. Es sollen knapp 26 km und 2.000 Höhenmeter werden.

Ein letztes Mal “Highway To Hell“ um 7:59.

Startschuss.

Transalpine Run 2019 - Start der 8. Etappe (c) PlanB / Harald Wisthaler
Transalpine Run 2019 – Start der 8. Etappe (c) PlanB / Harald Wisthaler

1 Kilometer Asphalt, dann berghoch. Es wird warm. Es bleibt weiter trocken. Wir steigen und steigen. Durch Wald, Forstweg, Fels, Wiese. 1.000 Meter geht es hoch – Südtirol zeigt seine schönste Gegend.

Wie nass kann die Hölle sein: Transalpine Run Etappe 7 – Scuol nach Prad

Val d‘Uina – eine so malerische Gegend, dass man nach dem Regisseur sucht, der dieses Setting in Auftrag gegeben hat. Wir erreichen es nach gut 7 km Asphalt und Gravel auf der 7. Etappe des Transalpine Run. Und sind beeindruckt. Laut Plan und Hoffnung könnten wir dem Regen heute irgendwie entkommen.

Transalpine Run 2019 - das traumhafte Val d‘Uina (c) PlanB / Klaus Fengler
Transalpine Run 2019 – das traumhafte Val d‘Uina (c) PlanB / Klaus Fengler

Die Stimmung steigt mit dem malerischen Ausblick der Uina Schlucht. Wahnsinn. Eine Lehrstunde in Ehrfurcht.

Transalpine Run 2019 - Blick auf die Uina Schlucht (c) PlanB / Andi Frank
Transalpine Run 2019 – Blick auf die Uina Schlucht (c) PlanB / Andi Frank

Im Gewitter auf dem Fuorcla Champatsch: Transalpine Run Etappe 6 – Samnaun nach Scuol

Leck mich fett – diese Etappe ist, fürs Erste, die härteste für mich. Knapp 41 Kilometer, 2.254 Höhenmeter und 2.839 Meter runter, das Ganze in 5:44 Stunden. Im Gegensatz zu den bisherigen Transalpine Run Etappen habe ich im langen Abstieg heftig Feuer gegeben. Und bin im Ziel komplett zerstört. Mal sehen, wie die Rechnung morgen aussieht.

Dabei fing alles ganz ordentlich an. Harter Regen ist für Samnaun angesagt, aber dem laufen wir mit dem 8-Uhr-Start davon. Es geht – natürlich – hoch. In die Wolken. In die Kälte. Auf den Fuocla Val Gronda mit 2.752 Metern. Mir geht es nicht wirklich gut. Müde. Angeschlagen. Magen. Nach 6km schon der erste VP. Eigentlich nicht nötig, aber trotzdem gut, um etwas Salzstangen, Käse und vor allem Salz zu mir zu nehmen.

Weiter. Weiter hoch. Es läuft besser. Ich komme in mein Rennen. Wir bleiben mehrere Kilometer auf 2.500 Metern Höhe. Fast schon gespenstig der ständige Wechsel aus gehen und laufen im Nebel. Außer Schritten, Stockgeklapper und schwerem Atem hört man nichts.

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