Wie oft wurde der Kyffhäuser Berglauf schon als kleiner Bruder vom Rennsteiglauf behandelt? Trotz aller Parallelen wohl zu oft. 2020 sollte das nicht passieren, denn anders als der angebliche große Bruder, findet der Kyffhäuser Berglauf im Corona-Jahr statt. Zwar deutlich abgespeckt, aber das stört die wenigsten LäuferInnen. Endlich wieder laufen!

Es gibt vier Distanzen – 6km / 14km / 21km / 42km – und eine Obergrenze von 999 Plätzen. Zuschauermengen sind nicht vorgesehen, die Übernachtung in der Turnhalle ist abgesagt, Duschen gibt es nicht. Entsprechend leer ist es auf dem großen Feld am Schloss Bad Frankenhausen. Distanz halten? Kein Problem hier und heute. Gestartet wird in Wellen, aufgestellt jeweils mittels Abstandsmarkierungen und mit Mund-Nasen-Schutz, der Startschuss ist symbolisch, wie es mehrfach heißt. Gedränge soll bei der 42. Auflage des Traditionslaufs um jeden Preis verhindert werden.

Gedränge gibt es beim Kyffhäuser Berglauf 2020 garantiert nicht.
Gedränge gibt es beim Kyffhäuser Berglauf 2020 garantiert nicht.

Auf der Strecke entzerrt es sich ohnehin sofort – dafür sorgt schon die Tatsache, dass es die ersten Kilometer fast nur latent bergauf geht. Die Halbmarathon- und Marathon-Strecken sind heute ohnehin identisch, wir laufen sie halt zwei Mal. Das Tempo vorne ist hoch, dünnt sich dann aber schnell aus. Über das berühmte Kyffhäuser Denkmal laufen wir 2020 leider nicht, sehen es aber ab und zu aus der Ferne. Es wird schließlich auf hervorragend markierten Fahrt- und Forstwegen umrundet. Wirklich beeindruckende Höhepunkte bietet die Strecke allerdings nicht. Es ist ein angenehmer Waldlauf mit vielen Streckenposten und wenig technisch anspruchsvollen Momenten. Eine klare Parallele zum befreundeten Rennsteiglauf

Gespenstisch leere Kulissen beim Kyffhäuser Traditionslauf.
Gespenstisch leere Kulissen beim Kyffhäuser Traditionslauf.

Was tatsächlich hart ist, sind die vielen leichten Anstiege, die alle gelaufen werden können, für die anschließenden sanften Bergabpassagen aber den Energiehaushalt etwas tricky machen. Passt aber alles ganz gut, so dass für mich nach 3:49h Schluss ist. Platz 4 meiner AK – alles gut. Als ich aber höre, dass der Gewinner, der auch schon seine Bestzeit-Ambitionen angekündigt hatte, in 2:45h ins Ziel kam, kippe ich trotzdem fast um. Wtf?! Und das bei gut 900 Höhenmetern und fast keinem Asphalt. Respekt!

Höhenprofil des Kyffhäuser Berglauf Marathons 2020 (c) strava.com
Höhenprofil des Kyffhäuser Berglauf Marathons 2020 (c) strava.com

Nach einer gespenstig leeren Siegerehrung dann ungeduscht ins Auto und zurück nach Berlin. Duschen, essen, schlafen, aufstehen, essen, ab zum Müggelsee. Dort findet der verschobene „Lauf in den Frühling“ statt. Der Lauf „Rund um den Müggelturm“ (zwei Namen sind immer besser als nur einer) findet zum 5. Mal statt und gehört fest in meinen Laufkalender. Normalerweise ist es zwar extrem kalt und niemand hat einen Mundschutz an, aber das ist heute eben anders.

Plan: Eine Pace von unter 5 Minuten pro Kilometer ansetzen und sehen, wie lange die Beine mitmachen. Die Strecke ist eh im Körper, es geht fast nur auf Waldwegen durchs Gelände, inklusive eines Anstiegs, bei dem sich gleich diverse LäuferInnen überpacen. Ich bleibe defensiv und kann in der zweiten Runde nochmal nachlegen. Negativ Split, überraschend gute Pace, 1:36 für den Halbmarathon und Platz 6 in der AK. Damit hätte ich nicht gerechnet. Genauso wenig wohl wie die vielen Läufer, die ich in der zweiten Runde wiedersehe und überhole. Leider gibt es ein paar hundert Meter vor dem Ziel einen Notarzt-Einsatz, der hoffentlich nichts allzu ernsthaftes bedeutet.

Beide Läufe waren anders als sonst. Vom Start über die Verpflegung bis hin zum Finish. Es ist auch ein seltsames Gefühl, beim Müggelturm mit ganz leeren Händen nach Hause zu gehen und beim Kyffhäuser sich eine Medaille vom Tisch zu nehmen. Urkunden nur zum selber ausdrucken, alles andere an Drumherum extrem reduziert oder ganz gestrichen. Natürlich sind wir alle extrem froh, überhaupt wieder bei Wettkämpfen starten zu können. Das ist das Wichtigste. Trotzdem merken wohl alle, dass das Drumherum auch zum Lauf gehört. Wobei es leider Fremdschämen vom feinsten ist, als der souveräne und altbekannte Wettkampfsprecher direkt vor dem Start am Müggelturm eine wohl selbstkomponierte Schlager-Ode an den Sport anstimmt und im Ziel noch einen Corona-Song nachlegt. Da ist mir die Suppe aus der Vor-Corona-Zeit deutlich lieber: Die singt nicht, schmeckt aber gut.

Ein seltsames Laufjahr.