„Zählt das jetzt eigentlich schon als Trail?“ schallt es nach wenigen Kilometern von hinten, während wir bergab über Beton-Loch-Platten laufen und versuchen, uns nicht die Gelenke zu brechen. „Ich finde die Panzerplatten deutlich härter zu laufen als Trails!“ kommt gleich die Erwiderung, während ich aufs Unkraut zwischen den alten Jeep-Wegen der DDR-Grenzer ausweiche.

Wachturm und Grenzzaun erinnern an die Geschichte des Heldburger Landes (c) Borderland
Wachturm und Grenzzaun erinnern an die Geschichte des Heldburger Landes (c) Borderland

Das Heldburger Land war zu DDR-Zeiten ein nahezu komplett von der BRD umschlossener Bereich, der entsprechend hart bewacht wurde. Bis heute zieht sich das Grüne Band hier besonders deutlich durch die ansonsten malerische und auch historisch interessante Landschaft. Panzerplatten, Wachtürme, Zaunreste – ein unschönes Kapitel der innerdeutschen Geschichte. Genau auf diese Geschichte bezieht sich der Borderland Ultratrail, der am 08.06.2013 zum ersten Mal stattfand, nach fünf Iterationen allerdings erstmal auf Eis gelegt wurde. 2020 nun also die sechste Ausgabe – mit einem anderen Orga-Team, anderen Strecken und trotzdem vielen Überschneidungen.

Panzerplatten mit Knöchelbrech-Option (c) Borderland
Panzerplatten mit Knöchelbrech-Option (c) Borderland

Für Mitglieder der Berliner LG Mauerweg ist die historische Parallele besonders spannend, aber wir sind ja vor allem mal zum laufen hier. Und da zeigt der Borderland Ultra ein fast schon schizophrenes Gesicht. Der 50km Ultra besteht aus dem 30km langen und ziemlich flachen Grenzgänger, auf dem auch der Lochplatten-Alarm liegt, und dem 20km langen Keltentrail, der ein spannendes Profil und schicke Trails bietet. Zum Glück geht es zuerst auf den Grenzgänger, so dass die 30 Kilometer mit relativ frischem Kopf abgelaufen werden können. Es gibt ein paar schöne Blicke in die Gegend, ansonsten ist die Strecke zwar nett zu laufen, aber für Trailrunner eher unattraktiv. Immerhin bleibt der angekündigte Regen aus, die Helfer sind supernett und die Strecke ist traumhaft gut ausgeschildert.

Schöne aber recht gemütliche Landschaft (c) Borderland
Schöne aber recht gemütliche Landschaft (c) Borderland

Die super Beschilderung bleibt auch nach der kurzen Stippvisite am Sportplatz, wo die beiden Tracks starten und enden. Von hier geht es fast 400 Meter hoch auf den Großen Gleichberg. Und plötzlich ist alles da, was viele von uns vermisst haben: knackige Anstiege, entsaftende Semi-Anstiege, Wald, Trails, Steine, Wurzeln… Das Trail-Herz wacht nicht nur auf, es lacht vor Freude. Während auf der ersten Runde die allerschnellsten StarterInnen des Grenzgängers schon an uns vorbeizogen, laufen wir jetzt langsam auf die letzten Keltentrailer auf. Die Startzeiten hauen also bestens hin, so dass die Strecke fast immer angenehm leer ist. Insgesamt waren ja auch nur 333 Teilnehmende zugelassen, verteilt auf drei Strecken. Entspannt.

Die Trails gibt es erst beim Keltentrail (c) Borderland
Die Trails gibt es erst beim Keltentrail (c) Borderland

Dass zumindest laut meiner Uhr aus den angekündigten 1050 Höhenmetern dann doch fast 1200 wurden, schadet nicht. Auf dem Keltentrail macht das Laufen so viel Spaß, dass man neben fünf nach Norden übereinander liegenden Runden auch gerne noch mehr Zeit im Gelände verbringen würde. Wobei: der letzte Wetterbericht hat schon angekündigt, dass gegen Mittag der Regen von Erfurt doch noch rüber ziehen soll. Also nochmal nachlegen, an immer mehr Keltentrail-StarterInnen vorbei zurück nach Gleichamberg, Stadionrunde, dann ab durch den Zielbogen. Die Regenjacke habe ich zum Glück nicht gebraucht, über die Handschuhe war ich aber doch sehr froh. Was für ein anderes Bild als noch vor zwei Wochen beim Indian Summer im nahegelegenen Suhl, wo einige der Borderland StarterInnen auch schon beim großartigen Südthüringen Trail gelaufen sind.

Noch mehr Spaß beim Keltentrail (c) Borderland
Noch mehr Spaß beim Keltentrail (c) Borderland

Ein spezieller IQ-0-Award sollte allerdings – leider – noch ausgelobt und an die Person verliehen werden, die ganz offensichtlich Probleme mit Schleim und Rotz im Rachen hatte und mit folgendem ein Gespräch anfangen wollte: „Man muss diesen Lauf ja nutzen, denn nächste Woche soll bei uns wieder ein Lockdown wegen zu vielen Corona-Fällen kommen.“ Bitte was? Du schleimst durch die Gegend, kommst aus einem Gebiet mit so vielen COVID-19-Fällen, dass neue Maßnahmen anstehen – und nimmst schnell noch an einer öffentlichen Sportveranstaltung teil? Wie saudämlich kann ein Mensch eigentlich sein? Schaff dir nen Hobbykeller mit Laufband an, schließ die Tür ab und verlier den Schlüssel!

Von diesem Negativmoment abgesehen ist die Wiederbelebung des Borderland Ultra aber absolut gelungen. Schön dass der traditionsreiche Lauf wieder da ist und hoffentlich 2021 noch ein paar mehr StarterInnen ins leider nur schlecht mit ÖPNV erreichbare Gleichamberg lockt. So reibungslos organisierte Laufveranstaltungen gibt es wirklich selten. Die drei ersten Frauen und Männer erhalten dazu amtliche Gewinne, das komplette Design ist wunderbar professionell, die Kommunikation vor dem Lauf bestens und die Stadionsprecherin macht vor Ort auch alles richtig. Top Job vom ganzen Team!

Start und Ziel - da war noch alles ruhig (c) Borderland
Start und Ziel – da war noch alles ruhig (c) Borderland

Spannend wird allerdings noch, ob die Kombination der sehr gegensätzlichen Strecken einen besonderen Reiz für LäuferInnen entwickeln wird, oder gerade das Gegenteil passiert. Denn für LandschaftsläuferInnen ist der Keltentrail zu technisch, für Trailrunner der Grenzgänger zu gemächlich. Es bleibt spannend!

Höhenprofil des Borderland Ultra (c) strava.com
Höhenprofil des Borderland Ultra (c) strava.com