Berlin: Gut 7 Grad, trocken. Ideales Laufwetter. Rheingau: 2 Grad, Nebel und ständiger Nieselregen. Blödes Wetter, um die letzten gut 100km des Rheinsteigs zu laufen. Der Rheinsteig geht ständig hoch und runter, der Weg wird gerne mal schmal und steil – und so richtig grippig ist das omnipräsente Kiefergestein nun nicht. Aber ich wollte mein Langzeitprojekt Rheinsteig ja endlich mal zu Ende bringen.

Burg Gutenfels und Burg Pfalzgrafenstein bei Kaub
Burg Gutenfels und Burg Pfalzgrafenstein bei Kaub

Es ist wirklich beschissen kalt und nass. Ich friere erbbärmlich, als ich um 7:20 Uhr den Schienenersatzverkehr suche. Die einzige Bahnlinie der Gegend ist nämlich kaputt. Aber: keine Spur vom SEV, der wohl eh ohne Plan und nach Lust und Laune fährt. Also umplanen. Nicht mehr von St Goarshausen, wo ich beim letzten Mal aufgehört habe, nach Rüdesheim und am nächsten Tag von dort zum Ziel bei Schloss Biebrich laufen. Nach Rüdesheim komme ich noch mit dem überfüllten Schulbus noch – und hoffe, dass am nächsten Tag die andere Etappe machbar wird.

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.

Während ich im Nebel den ganzen Tag nicht weiter als 30-40 Meter sehen kann, zeigt sich die offiziell letzte Etappe als eher lame. Schön wird es, wenn es in den Wald geht. Aber es gibt zu viele Weinberge, kaum schmale Trails und nur mäßige Steigungen. Auf 1.500hm komme ich zwar trotzdem bei 55km, aber Höhepunkte gibt es wenig. Oder ich habe sie schlicht in der weißen Suppe nicht gesehen. Genau wie den Rhein. Den gibt es heute auch kaum. Dafür ist es angenehm ruhig, denn auch die ständig durchs Rheintal fahrenden Güterzüge stehen unfreiwillig still. Am Ende bin ich froh, die Etappe hinter mir und ein paar gute Momente gehabt zu haben – und endlich unter eine heiße Dusche zu kommen. Mir ist beschissen kalt.

Im Wald war es schöner - wie immer.
Im Wald war es schöner – wie immer.

Nächster Tag, die Bahn fährt wieder. Aber natürlich mit Verspätungen morgens und abends, damit man schön durchfrostet. Dafür ist der Weg wieder der Hammer. Endlich wieder Rheinsteig wie ich ihn kenne. Burgen und Ruinen überall, viel Wald, wenig Weinberge – und fast immer nur steil bergauf oder steil bergab. Ein Höhenprofil vom Feinsten. Man sieht sogar mehr – wobei das Weniger an Nebel mit einem Mehr an Regen erkauft ist. Yeah.

Landschaftspark Niederwald bei Rüdesheim
Landschaftspark Niederwald bei Rüdesheim

Über Kaub kommen mir zwei Wanderer entgegen. „Da oben ist dicht. Treibjagd.“ Sagts und schon knallt ein Schuss durch den Wald. Schade, der Waldtrail war hier richtig schön. Umdrehen, runter nach Kaub und von dort erneut auf den Rheinsteig.

Endlich wieder Trails laufen!
Endlich wieder Trails laufen!

Je näher ich St Goarshausen komme, desto leichter werden die Beine. Spielt die Psyche etwa eine Rolle beim Laufen?! Nach diversen einzelnen Etappen kommt das Rheinsteigprojekt zu Ende. Die letzte, 30, 20, 15, 8, 3… Kilometer. Irgendwann fliege ich förmlich dem Ende entgegen – bergab sei Dank ist plötzlich wieder eine Pace von 4 Minuten und sogar 3:50 drin.

Tschüss Rheinsteig
Tschüss Rheinsteig

Eine Bahnfahrt inklusive frostender Verspätung von 40 Minuten, sowie eine heiße Dusche später macht sich Ruhe breit. Es begann mit einem spontanen Besuch am Rheinsteig irgendwann nach einem Weihnachtsbesuch bei der Family. Da ich nur selten in der Gegend bin, wurden die 320 Kilometer Rheinsteig zu einem längeren Projekt. Ich war im Schnee und bei Hitze unterwegs, in Nebel und Regen. Manchmal waren viele Menschen auf dem Qualitätswanderweg unterwegs, manchmal eigentlich niemand.

Der technisch schwerste aller Wege ist er nicht und die Güterzüge nerven. Aber trotzdem ist der Rheinsteig ein besonderer Weg. Er ist gesäumt von Geschichte, abwechslungsreich, hat fürs Laufen doch einige Etappen mit gehobener Finesse – und ist fast überall einfach wahnsinnig schön. Wer mal ein größeres Laufabenteuer außerhalb der Alpen starten möchte, kann sich hier ordentlich leerspielen und eine Menge Spaß haben. Pensionen und Bahnstationen gibt es auch alle paar Kilometer… Also: machen! Das Abenteuer ist immer irgendwo da draußen – und manchmal sogar ziemlich einfach zu organisieren.

Das wunderschöne Höhenprofil von Tag 2 (c) strava.com
Das wunderschöne Höhenprofil von Tag 2 (c) strava.com